Grenznutzenschule

Grenznutzenschule
1. Begriff: Die G. ist eine wissenschaftliche Richtung, deren Vertreter die subjektive Wertschätzung (Nutzen) als Zentralidee des nationalökonomischen Systemaufbaus ( Grenznutzen) zugrunde legen. Ausgehend von der fast gleichzeitigen Entwicklung des Grenznutzenbegriffs durch  Menger,  Walras und  Jevons in den Jahren 1870/1871, entwickelte sich die G. zur herrschenden wissenschaftlichen Richtung bis etwa zum Ersten Weltkrieg.
- 2. Richtungen: Vgl. Übersicht „Grenznutzenschule“:
a) Die Wiener Schule oder Österreichische G. vertrat das Grenznutzenprinzip am konsequentesten und wird deshalb auch oft allein als G. bezeichnet. Nach den grundlegenden Arbeiten Mengers wandte  Böhm-Bawerk das Grenznutzenprinzip auf die Preisbildung sowie auf das Kapital- und Zinsproblem an, Wieser gab die geschlossenste Gesamtdarstellung der auf dem Grenznutzenprinzip fußenden Wirtschaftstheorie. Von der österreichischen Schule beeinflusst wurden v.a. die beiden schwedischen Nationalökonomen  Wicksell (auf Böhm-Bawerk fußend) und Lindahl (beeinflusst durch die finanzwirtschaftlichen Untersuchungen des Wiener Grenznutzentheoretikers Sax). Eine weitere wissenschaftliche Linie führt von Böhm-Bawerk und Wieser zu  Mises,  Hayek, Strigl,  Eucken und  Stackelberg (monetäre Überinvestionstheorie, moderne Lohnfondstheorie, Theorie der diskontierten Grenzproduktivität).
- b) Von der Lausanner Schule kann eigentlich nur Walras der G. zugerechnet werden. Ab  Pareto tritt an die Stelle der Grenznutzentheorie die Theorie der Wahlakte, die später von Allen,  Hicks und Stackelberg weiter ausgebaut wurde. Das Hauptverdienst der Lausanner Schule ist die mathematisch exakte Darstellung der allgemeinen Interdependenz.
- c) Die Bedeutung der angloamerikanischen Richtung liegt bes. in der Übertragung des Grenzprinzips (Marginalprinzips) auf die Theorie der Produktion ( Produktionstheorie) und der  Einkommensverteilung. Die von  Clark entwickelte Grenzproduktivitätstheorie stellt einen der entscheidenden Lösungsversuche des Problems der  Einkommensverteilung dar.
- 3. Kritische Würdigung: Als Verdienst der G. ist die Einführung des „Grenzdenkens“, der marginalen Analyse, hervorzuheben. Von Ricardo in seiner Grundrententheorie schon vorweggenommen, lässt sich das marginale Denken aus der modernen Wirtschaftstheorie nicht mehr wegdenken. Daneben hat die G. eine Vielzahl wissenschaftlicher Einzelergebnisse entweder selbst hervorgebracht oder ihre Entwicklung direkt oder indirekt gefördert. Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass die Analysen der G. gelegentlich in Spitzfindigkeiten ausarteten, so dass Weber warnte, die Beschäftigung mit dem Grenznutzen unterliege selbst dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Seit dem Erscheinen der „Theory of Games and Economic Behavior“ von Neumann und  Morgenstern wird erneut die Frage nach der Messbarkeit des Grenznutzens diskutiert, deren Verneinung einst als einer der stärksten Einwände gegen die G. angesehen wurde.

Lexikon der Economics. 2013.

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